Anzahl von IT-Auszubildenden mit Behinderung soll steigen

31.10.2014 | Viele IT-Unternehmen in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis haben zunehmend Schwierigkeiten, ihren Bedarf an Auszubildenden zu decken. Zu diesem Ergebnis kommt die IHK Bonn/Rhein-Sieg, deren Statistik die Zahl der in diesem Jahr nicht besetzten IT-Ausbildungsstellen in der Region auf etwa 150 beziffert. In diesem Zusammenhang luden der Branchenverband BITKOM gemeinsam mit der Deutschen Telekom, der IHK Bonn/Rhein-Sieg und der Initiative bonnfairbindet am vergangenen Mittwoch IT-Unternehmen aus der Region in die Konzernzentrale der Deutschen Telekom ein, um über Möglichkeiten und Wege zu informieren, Auszubildende mit Behinderung für sich zu gewinnen.

IT-Branche schöpft Potenzial von Auszubildenden mit Handicap nicht aus

Die Veranstaltung wurde durch eine Keynote des Präsidenten des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), Prof. Friedrich Hubert Esser, eröffnet. Esser hob die bereits vorhandenen Ansatzpunkte für eine inklusive Berufsausbildung hervor und kündigte für das Jahre 2015 eine weitergehende Positionierung des BIBB zum Thema Inklusion an. Ein weiteres Highlight der Veranstaltung stellte der Impuls von Rainer Schmidt dar. Der mehrfache Paralympics-Goldmedaillengewinner wies auf die spezifischen Potentiale von Menschen mit Behinderung hin und machte deutlich, wie Unternehmen von der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderung profitieren können.

„Die IT-Branche bietet zahlreiche Arbeitsplätze, die für gut qualifizierte Menschen mit und ohne Behinderung geeignet sind. Dennoch liegt der Anteil von IT-Auszubildenden mit Behinderung bundesweit bei weniger als ein Prozent. Damit werden bestehende Chancen nicht genutzt“, so das Fazit von Stephan Pfisterer, der bei BITKOM das Projekt „Inklusive IT-Berufe“ verantwortet.

Aktuell keine IT-Auszubildenden mit Behinderung im Kammerbezirk

„In unserem Kammerbezirk sieht die Situation nicht besser aus. Unseres Wissens findet sich im aktuellen Ausbildungsjahrgang leider kein Auszubildender mit einer Behinderung“, unterstreicht Jürgen Hindenberg, Geschäftsführer Berufsbildung und Fachkräftesicherung der IHK Bonn/Rhein-Sieg. „Das möchten und das müssen wir ändern. Unser Ziel ist es, eine Vorreiterrolle einzunehmen. Wir arbeiten gemeinsam mit unseren Netzwerkpartnern daran, im nächsten Jahr zehn IT-Auszubildende mit Behinderung im Kammerbezirk zu platzieren“, erklärt Hindenberg.

Mit Handicap zum Ausbildungsplatz bei der Deutschen Telekom

„Für die Deutsche Telekom ist die Ausbildung von Menschen mit Behinderungen nicht nur ein Teil ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, sondern sie wird in Hinblick des absehbaren Fachkräftemangels gerade in unserer Branche zukünftig zur Normalität werden, um alle Talente zu fördern. Daher unterstützen wir diese Initiative im Rheinland gerne“, erklärt Ferdinand Tempel, der für die Deutsche Telekom dem Beirat des Projekts „Inklusive IT-Berufe“ angehört.

Mark Leuter, Telekom-Auszubildender zum Kaufmann für Bürokommunikation, hat seinen späteren Ausbildungsbetrieb während eines Bewerbertags an seiner Schule kennengelernt. „Da ich im Alltag auf meine Gehhilfen angewiesen bin, kam für mich nur ein Beruf in Frage, den ich im Sitzen ausüben kann. Ich habe mich natürlich im Vorfeld über die Telekom als potenziellen Arbeitgeber informiert und herausgefunden, dass die Inklusionsquote dort relativ hoch ist. Das war für mich definitiv ein wichtiges Entscheidungskriterium“, so Leuter. Auf das Verhältnis zu seinen Kollegen angesprochen, berichtet Leuter, dass ihm ein offener Umgang sehr wichtig ist. „Anfangs gab es zwar einige Berührungsängste, aber die nehmen mit der Zeit ab. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Kollegen. Sie sind alle sehr entgegenkommend und man merkt, dass sie sich immer sehr bemühen.“

Unternehmen brauchen Unterstützung auf dem Weg zum inklusiven Betrieb

„Viele Unternehmen wissen nicht, welche Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen in ihrem Betrieb überhaupt bestehen. Sie haben keinen Überblick über die vielfältigen Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten und erhalten darüber hinaus kaum Bewerbungen von Menschen mit Behinderung. Genau an diesen Punkten setzen wir an“, sagt Jan-Philipp Buchheister, Projektverantwortlicher von bonnfairbindet. Die regionale Netzwerk-Initiative übernimmt eine Lotsenfunktion, um Unternehmen auf ihrem Weg zum inklusiven Betrieb zu unterstützen. „Unser Angebot richtet sich an Bonner Unternehmen, die grundsätzlich dazu bereit sind, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen, aber entweder nicht die richtigen Bewerber finden oder sich im Fördermittel-Dschungel verloren fühlen“, verdeutlicht Buchheister den anwesenden Unternehmensvertretern.